Irene Lee

“In meiner Kalligraphie liegen die Botschaften gleichzeitig im visuellen wie im Wort. Sie sind allerdings selten identisch.”

Kunstwerke aus chinesischen Schriftzeichen, also Kalligraphie, lassen mich meine Ideen und Botschaften auf besonders präzise Weise ausdrücken. In der Ausstellung „True Colours – Frabe bekennen“ 2022 zeige ich Arbeiten mit chinesischer Tusche und Farbe auf Reispapier. Für diese Arbeiten habe ich sorgfältig ausgesuchte Begriffe mit vielschichtiger Bedeutung gewählt, die dann wiederum visuell zu neuem Ausdruck gelangen. In meiner Kalligraphie liegt die Botschaft gleichzeitig im visuellen wie im Wort. Sie muss aber nicht identisch sein.

Manchmal werden meine erfahrenen Pinselstriche als kraftvoll wie die eines Jahrhunderte alten Künstlers beschrieben. Diese Beschreibung ist zwar ein Kompliment, aber sie entspricht nicht meinem Selbstverständnis und meinem Weg als Künstlerin. Ich bin kein Mann, ich stehe nicht in der Schuld der Tradition, ich praktiziere meine Art der Kalligrafie und habe eine westliche Ausbildung. Ich glaube vielmehr, dass die Kraft, Stärke und Reife in meinen Pinselstrichen von der Reinheit der Seele, der Klarheit des Geistes und dem inneren Fokus kommen, ähnlich wie bei der Kampfkunst Kung Fu. Kontrolle, Flexibilität, Stärke entstanden aus meinem persönlichen Lebensweg und spiegeln meine Fähigkeit wider, eine Idee umfassend zu reflektieren und diese Idee dann in ein visuelles Erlebnis umzusetzen, das den Betrachter anspricht.

Was mich an der Kalligraphie fasziniert, ist die Verbindung von Geschichte, Kultur und Kunst.

Jedes chinesische Schriftzeichen hat in sich eine eigene Tradition, eine eigene Ausstrahlung. In Verbindung mit der Hand des Künstlers oder der Künstlerin entsteht dann eine neue, emotionalle und sehr individuelle Aussage. Das haben auch alle meine Arbeiten in der Ausstellung gemeinsam.